Vor 75 Jahren: … Abgeholt

Wird je ein Mensch der Nachwelt sagen können, wie wir hier gelebt und gelitten haben, wie wir gehungert, und wie wir gestorben sind?
Oskar Singer

Am 18. Oktober 1941, also vor 75 Jahren, begannen die Deportationen von Juden aus Berlin. Die „Osttransporte“ begannen. Transporte die in den Ghettos und Vernichtungslagern im Osten endeten.

Die Deportation der jüdischen Menschen in der Zeit des Nationalsozialismus war, zumindest in Berlin, keine geheime Sache. In einem langen Zug mussten die Berliner Juden durch die Stadt zum Bahnhof Grunewald laufen. Dies konnte nicht unbemerkt bleiben, denn es geschah dazu noch am helllichten Tag.
Der erste Zug verließ am 18. Oktober 1941 den Bahnhof Grunewald. Es folgten bis Anfang 1945 noch 183 dieser „Osttransporte“. Über 56000 Juden wurden aus Berlin deportiert.
Am Anfang gingen die Transporte in die Ghettos, danach fast ausschliesslich nach Theresienstadt und Auschwitz.

Heute, am 19. Oktober 2016, 75 Jahre danach, wird am Mahnmal „Gleis 17“ am Bahnhof Grunewald eine Gedenkveranstaltung stattfinden, die an das Unrecht erinnern soll. Vom Gleis 17 ging am 18. Oktober 1941 der erste «Osttransport» ab. Mehr als tausend jüdische Menschen wurden nach Łódź gebracht, ins dortige Ghetto «Litzmannstadt». Dort wurde ihnen ein neues Leben verprochen, Glück und Gastfreundschaft.
Für die Fahrt verlangte die Deutsche Reichsbahn vier Pfennige pro Kilometer von den Erwachsenen. Die Kinder bezahlten den halben Preis.
Herr Horst Selbiger, mit 88 Jahren einer der letzten Zeitzeugen und Leidtragenden dieser Deportationen erinnert sich:
«Alle meine Freunde, meine Klassenkameraden sind deportiert worden. 61 Mitglieder meiner Familie wurden ermordet“
Selbiger ist Gründungsmitglied des Vereins Child Survivors Deutschland und erzählt bis heute in Vorträgen und Diskussionen über die Geschehnisse.

Horst Selbiger wird heute auch am „Gleis 17“ die Gedenkrede halten.

Dort liegen auf einer Länge von mehr 132 Metern auf beiden Seiten des Gleises gusseiserne Platten. Dort ist jeder Transport mit Datum, Anzahl der Deportierten und dem Zielort dokumentiert.

Nach dem Krieg dauerte es Jahrzehnte, ehe die Rolle der Deutschen Reichsbahn im Holocaust diskutiert wurde. Eine gemeinsame Initiative des damaligen Bahnchefs Heinz Dürr mit dem Vorsitzenden des Zentralrats der Juden in Deutschland, Ignatz Bubis, führte 1998 zur Eröffnung des Denkmals für die die Deutsche Bahn die Mittel zur Verfügung stellte.