Vor fünfzig Jahren wurde eine Grenze durch Deutschland gezogen, die bis Anfang November 1989 nicht nur ein Land teilte, sondern auch dafür sorgte, dass auf beiden Seiten der Mauer unterschiedliche Ideologien, Meinungen und Werte wuchsen und gelehrt wurden. Nicht nur in der DDR, sondern auch in der Bundesrepublik Deutschland wurde vom jeweils anderen Teil vieles erzählt, was nicht stimmte, sondern nur dazu diente, die jeweils eigene Staatsform als die bessere darzustellen.
Die Aussage von Walter Ulbricht am 15. Juni 1961 „… niemand hat die Absicht, eine Mauer zu errichten…“, wurde am 13. August 1961 durch den Mauerbau eben der Regierung, der Walter Ulbricht vorsass, ad absurdum geführt. Familien wurden getrennt, sich Liebende konnten sich nicht mehr treffen, eine Stadt wurde brutal in zwei Teile aufgeteilt.
Ich habe Deutschland bis zu meinem 29. Lebensjahr als zweigeteiltes Land erfahren, hatte keine Freunde und Bekannten in der DDR. Zur Bundeswehrzeit wurden wir angewiesen, besonders auf die Lastwagen der „Deutrans“ zu achten, die mit Vorliebe um militärische Einrichtungen herum pausierten.
Ich bin also als echter „Wessi“ aufgewachsen – und trotzdem hatte ich Tränen der Freude in den Augen, als im November 1989 die Zeit der Teilung ein Ende hatte und die Mauer langsam aber sicher Geschichte wurde.
Sicher, ohne Reibung zwischen den Menschen aus Ost und West geht es nicht, wenn man achtundzwanzig Jahre weniger voneinander wusste oder wissen wollte als von den Bewohnern anderer Länder. Aber wenn heute teilweise behauptet wird, dass es West wie Ost besser gegangen ist, als die Mauer noch stand, sie sogar wieder zurück fordert, dann muss man diesen Menschen eine gewisse Blindheit in puncto Geschichte bescheinigen.
Es ist ein Schlag ins Gesicht all derer, die sich immer wieder für ein vereintes Deutschland stark gemacht haben und all derer, die ihre Flucht aus der DDR mit dem Leben oder langjährigen Haftstrafen bezahlt haben.
Eine undurchdringliche Grenze, egal wo auf der Welt, ist ein Zeichen totalitären Machtanspruchs und eine Einschränkung der grundlegenden Menschenrechte.
Wer als „Westbürger“ die Mauer wieder haben möchte, wünscht seine Mitmenschen wieder zurück in einen Staat, in welchem Bespitzelung und Willkür an der Tagesordnung waren. Die Behinderung der freien Glaubensausübung und Meinungsfreiheit kann nur für Menschen erträglich sein, die keine Meinung oder keinen Glauben haben.
Und wenn „Ostbürger“ die Mauer wieder herbeisehnen, haben sie unter dem totalitären Regime entweder ganz gut gelebt (warum, müssen diese Menschen selbst beantworten), oder sie haben das Leben in der DDR nur aus glorfizierten Berichten gehört, weil sie 1989 noch nicht geboren waren, oder eben zu klein waren, um etwas zu begreifen.
Ich bin froh, dass es die Mauer nicht mehr gibt und bitte alle, die sich daran erinnern können, wie friedlich diese Maueröffnung ablief, und wie viel Leid sie vorher den Leuten angetan hat, die Stimme zu erheben und Position zu beziehen