Einundneunzig Jahre ist er nunmehr alt – Marcel Reich-Ranicki – der am gestrigen 67. Jahrestag der Befreiung der Insassen des KZ Auschwitz eine ergreifende Rede hielt. Eine Rede, die aus Erinnerungen bestand. Erinnerungen aus erster Hand, Erinnerungen an Erfahrungen, die bei den Überlebenden des Holocaust noch so frisch sind, wie am ersten Tag. Erinnerungen, die in unserer Gesellschaft zu verblassen drohen, die in die Schublade der „Geschichte“ abzusinken drohen.
Gerade jetzt, unter den Eindrücken von Organisationen wie der NSU, immer wieder auflodernden Parolen von NeoNazis, ist es wichtig, allen Generationen immer wieder zu sagen, was in den Jahren 1933 bis 1945 in Europa passiert ist.
Es hat nichts damit zu tun, dass wir uns als Deutsche immer schuldig fühlen müssen. Meiner Meinung nach sind wir aber in einer besonderen Form dafür verantwortlich, dass Rassenhass nie wieder in Deutschland Fuss fassen kann.
Dazu gehört eine offene Auseinandersetzung mit der deutschen Geschichte, mit den Vorgängen damals, mit den Menschen und Organisationen, die im Dritten Reich agiert haben. Und eine Loslösung der Ereignisse von der Geschichte, damit wir nicht glauben, das habe nur damals passieren können.
Die Betroffenheit der im Bundestag anwesenden Menschen während und auch nach der Rede von Marcel Reich-Ranicki zeigt, dass es notwendig ist, die Themen immer
wieder – losgelöst von politischer Stimmungsmache – anzusprechen und uns in Erinnerung zu rufen.