Der Mensch ist ja relativ gut ausgestattet, wenn es darum geht, seine Umwelt auf verschiedene Weise wahrzunehmen. So sind Augen, Nase und Ohren fast dauernd auf Empfang, insbesondere, wenn wir uns in einer nicht vertrauten Umgebung befinden.
Normalerweise empfinde ich diese Möglichkeit, das Leben quasi so in sich „hineinzusaugen“, als ziemlich aufregend. Aber manchmal kommt es dann doch „zu dick“.
Die folgenden Episoden haben sich alle innerhalb von zwei Stunden zugetragen, begonnen beim Einchecken im Flughafen Stuttgart, über den Flug nach Wien, bis zum dortigen Verlassen des Flughafens.
Erste Szene: Boarding Pass am automatischen Check In Terminal holen. Rechts neben mir ein Herr im Anzug. Auf die freundliche Frage der Dame der Fluggesellschaft, ob sie helfen könne, die Antwort „Mädle, I flieg seit drei Johr jeda Mondag die Schdregge, do kennt I dir ebbas erklära, aber net du mir“
Zweite Szene: Baggage Drop, also dort, wo man das Gepäck abgibt, nachdem man am Automaten eingecheckt hat.
Vor mir ein junges Paar; sie ist adrett gekleidet, alles stimmig. Der Partner neben ihr sieht aus, als ob er direkt aus dem Bett hierher gestellt worden wäre und gerade noch Zeit gehabt hatte, sich die Flip-Flops an die Füße zu kleben. Karierte Boxershorts, zerknittertes T-Shirt und die besagten Flip-Flops. Wahrscheinlich aus dem Flugzeug direkt an den Strand.
Dritte Szene: Security. Vor mir ein Mann, der schon morgens um sieben nach Schweiß riecht, dass sogar die Dame, die ihn durch den Scanner winkt, sich angewidert wegdrehen muss. Natürlich piept der Scanner und der männliche Sicherheitsbeamte hat das Vergnügen, eine nähere Untersuchung an unserem Kandidaten vorzunehmen. Ergebnis: Nach dieser Untersuchung gibt es Personalwechsel, um dem Riechorgan eine Erholungsphase zu gönnen.
Vierte Szene: Beim Boarding habe ich einen Geruch in der Nase, der einfach nur reizt. Eine Mischung aus Parfüm und Reizgas. Keine Ahnung, wo es herkommt, aber egal, wo ich mich hinstelle, dieser Geruch füllt schon den ganzen Raum aus.
Die fünfte Szene schließt dann gleich an die vierte an (leider): Mit dem ersten Bus zum Flugzeug, der ätzende Geruch ist weg. Ich erhole mich langsam und fange an, mich wieder ein wenig zu entspannen. Meinen Platz am Fenster in der 22. Reihe habe ich eingenommen und bin – wie immer – gespannt, wer den Platz an meiner Seite für die nächste Stunde einnimmt.
Der zweite Bus spuckt die restlichen Fluggäste aus, und eine Frau lässt sich mit aller Kraft ihrer geschätzten 120 Kilo auf den Sitz neben mir fallen. Ich sage noch freundlich „Guten Morgen“ und habe im selben Moment das Gefühl, dass ich nicht mehr in der Lage bin, zu atmen: Das ätzende „Parfüm“ sitzt jetzt quasi neben mir! Ich kann nur schätzen, dass „Hausmarke Billigdrogeriemarktdeo“ bei meiner Nebensitzerin heute Morgen in einer Quantität aufgebracht wurde, die sonst bei normaler Anwendung drei Wochen reichen würde….
Ich richte die Frischluftdüse voll auf mein Gesicht, schaue krampfhaft zum Fenster raus und atme so flach ich kann.
Zum Glück schläft meine Nebensitzerin bald ein (die Armlehne zwischen uns ist sowieso schon seit ihrer Ankunft 100% von ihrem Arm in Beschlag genommen), und somit bewegt sie sich auch nicht, was einer Ausbreitung der Chemikalie entgegenwirkt.
Die Stunde Flug habe ich also überlebt und als sie sich kurz vor der Landung wieder stärker bewegt, gehe ich eben wieder in „Flachatmung“ über.
Die Flugbegleiterin wunderte sich wahrscheinlich, warum ich noch so lange sitzen geblieben bin, als meine Sitznachbarin schon längst aufgestanden war…
Reine Taktik: Ich habe den zweiten Bus erwischt, sie den ersten.