Da sitze ich nun glücklich auf meinem reservierten Platz, ICE zweiter Klasse. Sparpreis, BahnCard 25, alle Register gezogen. Online gebucht, sogar Sitzplatz ausgesucht. Bewusst in der „Ruhezone“, also da, wo kleine Schaubilder auch denen, die des Lesens nicht mächtig sind, zeigen „Bitte Ruhe“, „Kein Mobiltelefon“.
Ich mag das, die Ruhezone, wenn sie denn mal ruhig ist.
Es war ruhig, bis ein Schmalspurmanager zugestiegen ist. Rollkoffer, oder auch Trolley genannt hinter sich her ziehend, steuert er den Platz am Tisch des Grossraumwagens an.
Die Zeitung fliegt mit einem gekonnten Schwung (bis zum Abwinken am Wochenende geübt) auf das Tischchen. Schon mal ein Viertel des gesamten Platzes belegt. Plakativ oder schon eher provokativ wird der Laptop ausgepackt, auch auf den Tisch gestellt, dabei die Zeitungnoch weiter in den Bereich des Gegenubers geschoben. Die Dame schiebt leicht brüskiert ihre Siebensachen zusammen. Wenn Blicke töten könnten, gäbe es jetzt einen herrenlosen Laptop im Zug. Aber der Herr von (einer besseren) Welt ignoriert diesen Blick geflissentlich. Er verkabelt seinen Laptop, holt sich sein Apfelphone raus (was denn sonst?), und macht es sich auf dem Sitz bequem. Die Beine leicht gestreckt und ein wenig breitbeinig sitzt er da, der Restvder Vierergruppe hat sich schon längst aufs Minimum in puncto Platzbedarf beschränkt. Der Trolley bleibt natürlich neben dem Sitz im Gang stehen, für schnelen Zugriff vorbereitet.
Kaum gesessen geht es los mit dem ersten Akt von „ich bin Wichtig“: Schnellhefter werden aus dem Trolley geholt, der Rechner aktiviert und dann wird mit viel „Wind“ geblättert, getippt, gewerkelt. Keine zwei Minuten später kommt das Smartphone zum Einsatz, um mit einer nicht zu überhörenden Stimme einige Anrufe zu tätigen. „Hallo, uch bin hier im Zug, die Verbindung ist schlecht, also nicht wundern, wenn ich plötzlich weg bin“…. „Hallo, ich nochmal,die Verbindung war plötzlich weg….“
Es geht weiter mit Anweisungen an Renate, die doch bitte gleich (abends um halb sieben) nochmal bei Hans anrufen soll, da stimme was in dem Angebot nicht.
Pausenloses Wichtiggelaber eines Möchtegern-Managers in der Ruhezone der zweiten Klasse eines ICEs. Und warum bucht sich so einer die Ruhezone? Dort genießt er die ungeteilte Aufmerksamkeit seiner Mitmenschen. Was ihm entgeht, weil er doch so Selbstverliebt ist: Alle nerven sich, aber keiner bietet diesem Typen die Stirn. Er sieht einfach so aus, als ob er da dann auch nochmal ne Performance daraus machen würde, wenn ihn jemand anspricht.
Was er nicht weiß: Er hat dazu beigetragen, dass sich alle in seiner Umgebung auch ohne Worte einig sind.