Rasir Salon

Unscheinbar zwischen zwei neu eingebauten Fenstern sah ich die Schrift an der Wand

RASIR
SALON

Einmal davon abgesehen, dass ich nicht wusste, dass man das Wort “Rasieren“ einmal ohne das “Verlängerungs-E“ geschrieben hat, kamen mir Gedanken in den Sinn. Gedanken an eine Zeit, die ich nie erlebt habe. Gedanken an die Zeit Anfangs des zwanzigsten, des vorigen Jahrhunderts.

Man ging zum “Barbier“, zum “Rasir Salon“, liess sich von geschickter Hand den Bart stutzen, die Stoppeln wegrasieren. Man vertraute dem Meister seinen Hals an, das scharfe Rasiermesser war dazu angetan, bei nicht sorgsamem Umgang schmerzhafte Wunden zufügen zu können. Beim Barbier wurde auch geraucht, das gehörte damals zum Manne. Zeitungen wurden gelesen und es wurde politisiert. Der Stehkragen kam natürlich vor der Rasur weg. Man(n) kam im dreiteiligen Anzug zur Rasur. Meist mit Hut und Stock.Die Beleuchtung war sicher nicht sehr gut und trotzdem konnte der Barbier seine Arbeit sorgfältig und zufriedenstellend machen.

Ich stelle mir vor, dass die Zeit auch gefüllt war mit Sorgen und Nöten, mit Freude, Liebe und Leid. In meiner Fantasie war das Leben jedoch überschaubar, es war lokal. Nachrichten aus den fernen Ländern kamen nach Rostock durch die Seefahrer. Was wahr war und was “Seemannsgarn“, war schwer zu unterscheiden.

Heute gibt es den “Rasir Salon“ nicht mehr. Wer hätte die Zeit, die Ruhe, sich in einem Salon sich rasieren zu lassen?

In manchen südlichen Ländern habe ich noch so “Kleinode der Gemütlichkeit“ gesehen.

Bei uns haben sie schon lange keinen Platz mehr.