Der Papst ist nicht unfehlbar“
Kaum ausgesprochen, wackeln die Bücherregale im Seminarraum des Instituts für ökumenische Forschung in Tübingen. Hans Küng ist gerade dabei, Studenten über die Reaktionen zu seinem Buch „Die Kirche“, welches 1967 erschienen ist, referieren zu lassen.
Der Vorfall lässt sich leicht erklären, da Tübingen im Albvorland liegt, welches durch den Zollerngraben hin und wieder durch Erdbeben erschüttert wird.
Aber auch die Kritik, die Hans Küng nicht nur in dem oben genannten Buch zu Papier gebracht hat, und die Karl Barth und Ernst Käsemann als „protestantisch korrekt“ bezeichnen, löste in der katholischen Kirche immer wieder kleinere und größere Erschütterungen aus.
Hans Küng, geboren 1928 in Sursee in der Schweiz nahm auch beim Zweiten Vatikanum, dem Reformkonzil in den Jahren 1962 bis 1965 als jüngstes Konzilmitglied teil.
Und trotzdem betont er auch nach diesem Konzil die Notwendigkeit einer umfassenden Reform der Lehre und Organisation.
Konservative Mitglieder der päpstlichen Kurie hatten damals oft im letzten Augenblick verhindert, dass die ökumenische Verständigung und die Demokratisierung der Kirchenleitung umgesetzt wurde.
Küng setzte sich gegen Denkverbote ein. Alles neu durchdenken und neu gestalten, aber
„die von Gott durch Christus gegebenen irreformablen Konstanten dürfen nicht verletzt werden“,
so schrieb er in seinem Buch „Konzil und Wiedervereinigung“ bereits im Jahr 1960.
In diesem Buch brachte Küng drei Überzeugungen klar zum Ausdruck:
- Katholische Theologen haben die Aufgabe, Reformprogramme zu entwickeln
- Anregungen dafür bietet oft die protestantische Theologie
- Die Durchführung der Reformen allerdings ist Sache der Bischöfe und des Papstes.
Küng hatte sieben Jahre in Rom an der päpstlichen Gregoriana Universität Philosophie und Theologie studiert.
Promoviert hatte er jedoch am Pariser Institut Catholique mit der Doktorarbeit
„Rechtfertigung. Die Lehre Karl Barths und eine katholische Besinnung“.
Seine These: Es gibt keinen unüberbrückbaren Gegensatz zwischen protestantischer und katholischer Theologie. Daraus folgt: Der Weg für ökumenische Verständigung ist frei.
Karl Barth bestätigte dies in seinem Vorwort zur Dissertation.
Sowohl Barth als auch Küng waren der Meinung, dass mit dieser Arbeit eine gewaltige Revision der katholischen Theologie gelingen sollte.
Aber bereits im Jahr seiner Promotion (1957) wurde Küng als der Irrlehre Verdächtiger bei den römischen Kirchenbehörden angezeigt.
Küng bekam die Akte „399/57i“, die in den folgenden Jahren immer umfangreicher wurde.
Dr. Küng durfte sich in seinem Leben einer ganzen Reihe von Untersuchungen und Befragungen unterziehen, die immer zum Ziel hatten, den unbequemen Theologen zu disziplinieren.
Aber alle Angriffe und Schriften gegen Küng schadeten seinem Ansehen bei der Allgemeinheit wenig.
Im Gegenteil: Zwei weitere Bücher – «Christ sein» (1974) und «Existiert Gott?» (1978) – wurden internationale Bestseller.
Durch diese Bücher kam es zu einer kirchlichen Strafmaßnahme gegen Küng.
Ohne Ankündigung und ohne rechtliches Verfahren wurde ihm am 18. Dezember 1979 die kirchliche Lehrerlaubnis entzogen.
Der Lehrstuhl an der Universität Tübingen blieb ihm erhalten, da er nicht gegen Beamtenrecht verstoßen hatte. Auch war er weiterhin Priester. Und es wurde erwirkt, dass sich Küng nicht mehr „katholischer Theologe“ nennen durfte.
Trotz vieler Sympathie- und Solidaritätsbekundungen erhielt er die Lehrerlaubnis nie wieder.
Im Jahre 2011 arbeitete Küng immer noch daran, dass die Kirche Reformen durchführt.
Aber langsam gesteht er sich ein, dass die katholische Kirche nicht innerhalb weniger Jahre reformierbar ist.
Küng eine Galionsfigur des weltweit verbreiteten informellen liberalen Katholizismus, der nicht organisiert ist.
Eine neue Kirche wollte Küng nie gründen.
Sein Anliegen war es, die größte religiöse Organisation der Welt zu einer Reform zu bewegen.
Nach dem 18.12.1979 beschäftigte Küng sich mit einem neuen Thema, dem Dialog zwischen den Weltreligionen, insbesondere zwischen Judentum, Christentum und Islam. Zu jeder dieser Religionen schrieb Küng ein umfangreiches Buch.
Im Buch über den Islam finden wir die an Christen gerichtete Forderung, Mohammed als Propheten anzuerkennen.
Küngs Überzeugung war, dass alle Weltreligionen, ein «Weltethos» verbinden könne:
1993 hat das in Chicago tagende Parlament der Weltreligionen Küngs «Erklärung zum Weltethos» angenommen.
2001 sprach der Autor zur Vollversammlung der Vereinten Nationen.
Mit der Zeit betrachtete Küng das Christentum immer weniger unter einem kirchlichen Aspekt.
2009 schreibt er in „Was ich glaube“, dass er sich christlichen Glauben auch ohne Kirche vorstellen kann.
Christsein sei eine Lebenshaltung, die sich unmittelbar – also ohne Gottesdienst, Priester und Papst – an Jesus und der Bibel orientiere, heisst es da.
Dr. Hans Küng starb am 6. April 2021 im Alter von 93 Jahren in Tübingen. Er wird der Theologie beider Konfessionen im Gedächtnis bleiben.