„1945 – Der erste Sommer im Frieden“ / „Der letzte Tag des Krieges“

Vor 75 Jahren endete der Zweite Weltkrieg. Viele Gedenkveranstaltungen mussten wegen Sars-CoV2 ausfallen, wurden verschoben oder fanden mit geändertem Programm statt.

So hat auch das Thema „1945 – Der erste Sommer im Frieden“ / „Der letzte Tag des Krieges“ im „Hohenloher Freilandmuseum Wackershofen“ am Wochenende 5. und 6. September 2020 ein wenig anders ausgesehen, als die Veranstalter es geplant hatten.

Es war trotzdem eine eindrückliche Erinnerung an die Tage rund um Schwäbisch Hall und Crailsheim, als die Deutsche Wehrmacht auf dem Rückzug war und die Dörfer im Hohenlohischen mit sehr gemischten Gefühlen warteten, was jetzt kommt.

Die US-Armee war im Anmarsch, in Flugblättern, die schon eine geraume Zeit vorher von amerikanischen Flugzeugen abgeworfen wurden, stand detailliert, wie sich die Ortschaften zu verhalten haben, wenn sie sich ergeben.

Im Folgenden habe ich versucht, diese Zeit, die im Freilandmuseum in Szenen nachgespielt wurde, mit den Bildern nachzuempfinden, die ich bei der Veranstaltung gemacht habe. Ich möchte auch explizit darauf hinweisen, dass es sich bei den Akteuren um Laiendarsteller handelt, die Uniformen und die Accessoires nicht immer 100% authentisch sind, und dass es darum ging, die Situation von damals den Menschen von heute auch emotional näher zu bringen.

Die Vorgänge sind nicht 1:1 in Wackershofen geschehen, sondern eine Sammlung an Geschehnissen aus der Hohenloher Gegend.

Es ist Mitte April 1945. Die Menschen in Wackershofen sind angespannt. Vor einigen Tagen haben Flugzeuge der Alliierten über dem Dorf Flugblätter abgeworfen, die ganz klar zeigen, dass die Amerikaner auf dem Vormarsch sind. Wenn dem Dorf nichts passieren soll, so fordern es die Amerikaner, sollen überall aus den Fenstern weiße Fahnen / Bettlaken hängen, alle Munition und Waffen abgegeben und auch alle Barrikaden entfernt werden.

Die Wehrmacht hat sich aus dem Dorf schon zurückgezogen, nicht ohne dass der Ortskommandeur nochmals allen gedroht hatte, dass eine Kapitulation mit Fahnenflucht gleichzusetzen sei und dementsprechend geahndet würde. Beim überstürzten Abzug hatte man keinen Platz für die Verletzten aus dem Dorflazarett, also blieben die Sanitäter und Verletzten erst einmal im Dorf.

Die Amerikaner sind schon am Rand des Dorfes und die Sanitäter werden die ersten sein, die Kontakt mit dem Voraustrupp der Amerikaner haben werden. Was wird mit ihnen geschehen? Sie sind schließlich Armeeangehörige, auch wenn die Genfer Konvention ihnen bis zu einem gewissen Grad Schutz bietet. Sie haben keine Waffen und vorsorglich die weiße Fahne griffbereit.

Die Vorhut der US-Amerikaner hat den Rand des Dorfes erreicht. Den Weg bis Wackershofen haben sie im Schritttempo zurückgelegt, immer auf der Suche nach versteckten Minen und Sprengkörpern. Jetzt kommt der nächste nervenaufreibende Abschnitt: Ist das Dorf wirklich so friedlich, wie es scheint, oder ist es ein Hinterhalt? Kann man der Flagge mit dem Roten Kreuz trauen?

Das Lazarett hat sich wirklich als Lazarett erwiesen. Da die Vorhut keine Möglichkeit hat, Verletzte mitzunehmen, bleiben die Sanitäter und die Verletzten bis zum Durchzug der Hauptgruppe im Lazarett.
Auch im Dorf ist es soweit ruhig, aber die Anspannung auf beiden Seiten ist zu spüren. Die Dorfbewohner wissen noch nicht so richtig, ob die Aussagen der Nazipropaganda vielleicht doch stimmen und die GIs sind sehr vorsichtig, da eventuell doch noch ein Hinterhalt droht. Im Dorf leben fast nur noch Frauen, Kinder und ältere Männer. Alle wehrfähigen Männer sind noch an der Front.

An allen Häusern waren weiße Tücher ausgehängt, die explosive Anspannung auf beiden Seiten lässt nach und nach einiger Zeit verschwinden die Amerikaner und lassen die Dorfbewohner mit fragenden Gesichtern zurück. „War das jetzt alles, warum gehen die jetzt?“ – Eine gewisse Unsicherheit, ja sogar Angst macht sich breit, denn immer noch ist Krieg und den Menschen ist es untersagt, von sich aus sich zu ergeben und gilt immer noch als Fahnenflucht, auf die die Todesstrafe steht.

In manchen Fällen – und auch hier – kommt trotz des schon fast verlorenen Krieges eine Einheit der Deutschen Wehrmacht nochmals nachdem die Amerikaner bereits da waren und versucht, die Bevölkerung nochmals zum Kampf zu „motivieren“.
Unser Kommandant gerät ob der weißen Tücher in Rage und befiehlt, sofort alle Verteidigungsmaßnahmen wieder zu aktivieren. Zusätzlich fällt ihm dann auch noch ein Zettel in die Hand, die irgendein unvorsichtiger Zeitgenosse in der Euphorie der Befreiung an den Baum geheftet hat. Zum Glück gibt es in unserem Fall keine weiteren Nachforschungen, wahrscheinlich weil die Zeit drängt und die Soldaten in Stellung gebracht werden müssen.

Die Ortskommandantur ist leider wieder besetzt und die Soldaten werden zusammen mit dem Volkssturm in die Schützengräben gejagt. Die Frauen sind verzweifelt, auch weil sie vom Bürgermeister keinerlei Unterstützung erwarten können. Alle stehen jetzt zwischen den Fronten.

Die Zeit im Schützengraben ist lang und die Soldaten haben Angst. Angst vor dem, was kommt und Angst, wenn sie abhauen. Im Prinzip sind sie dem Tod geweiht, wenn nicht irgendein Wunder geschieht.

Einige Zeit später verdichten sich die Nachrichten, dass die Amerikaner unaufhaltsam auf das Dorf zu rücken und der „neue Ortskommandant“ trifft die Entscheidung, mit seinen Leuten das Weite zu suchen. Natürlich nicht, ohne die Männer, die noch im Dorf sind und damit zum „Volkssturm“ gehören, in die Schützengräben zu schicken, was geschickt als „Ablöse“ getarnt ist.

Nachdem jedoch die Männer vom Volkssturm, von denen die meisten schon im Krieg 1914 bis 1918 gedient hatten, gewahr wurden, dass sie die anderen das Weite gesucht haben, kehrten sie ins Dorf zurück, in dem die Frauen schon gleich nach der Flucht der Wehrmacht begonnen hatten, die Barrikaden zu entfernen und auch die weißen Tücher wieder an die Fenster zu hängen.

Unter grossem Zeitdruck und auch großer Angst arbeiten alle zusammen, da niemand weiß, wie lange es dauern wird, bis die GIs nunmehr mit der großen Kolonne kommen.

Zum Glück wurde soweit alles rechtzeitig fertig und mit gemischten Gefühlen warten die Bewohner ab, was nun geschehen wird.

Die US Army lässt natürlich auch bei diesem Einmarsch größte Vorsicht walten und man merkt, wie die Nerven blank liegen. Dazu kommen natürlich noch die sprachlichen Verständigungsprobleme.

Das Lazarett kann nun geräumt werden, da die Amerikaner die Verletzten abtransportieren können.

Beim Einmarsch ins Dorf kommt ihnen der Bürgermeister mit der weißen Fahne entgegen zum Zeichen, dass dieses Dorf kapituliert hat. Die sich noch im Dorf befindlichen Wehrmachts- und Volkssturmangehörigen werden auf Waffen kontrolliert und dann abgeführt.
Leider hat in der Aufregung ein Haus vergessen, das weiße Tuch aus dem Fenster zu hängen, was zu einem relativ aufgeregten Einsatz der GIs führt, da sie einen Hinterhalt befürchten. Nachdem die Menschen aus dem Haus getrieben wurden und sich keine Gefahr mehr zeigt, wird die Lage ein wenig entspannter.

Nachdem für die Kinder Schokolade verteilt wurde, ziehen die Amerikaner weiter in Richtung der nächsten größeren Stadt. Die Dorfgemeinschaft braucht wahrscheinlich noch eine Zeit, bis sie begreifen, dass es für sie der letzte Tag des Krieges war und sie bald den ersten Sommer im Frieden erleben dürfen.

Alle Bilder sind im Freilandmuseum Hohenlohe entstanden (6. September 2020)
Herzlichen Dank an die Akteure.