Nr 23

Sowjetischer IS-2 M44 im Militärmuseum Lešany (Tschechien) Sowjetischer IS-2 M44 im Militärmuseum Lešany (Tschechien) - Panzer Nr 23 Foto: Hynek Moravec (Lizensiert unter der Creative Commons Lizenz CC BY 2.5)

Panzer sind ja als solches nicht unbedingt dafür bekannt, dass sie in fröhlichen Farben in Erscheinung treten. Aber ein Panzer, mit einer wechselvollen Geschichte, hat eine für ein Militärgerät wirklich ausgefallene Farbe – er ist rosa.

Der „Panzer Nr 23“ war lange Jahre ein Kulturdenkmal in der Tschechoslowakei. In Prag stand er lange auf einem Sockel und sollte an die Befreiung Prags durch die Rote Armee und die im Krieg für die Befreiung der Tschechoslowakei gefallenen Soldaten erinnern. Mit dem nach Westen gerichteten Kanonenrohr als Mahnmal gegen die aus dem Westen kommende deutsche Invasion – später gegen den Einfluss des Imperialismus.

Laut offizieller Verlautbarung war „Panzer Nr 23“ der erste Panzer, der am 9. April 1945 Prag erreichte und damit zur Befreiung der Stadt beitrug.

Als dann am 29. Juli 1945 Prags Bürgermeister Václav Vacek und der Marschall der Sowjetunion, General Iwan Konew, das Denkmal enthüllten, stand jedoch nicht der Panzertyp T-34 auf dem Sockel, sondern ein fabrikneuer Typ IS-2 (IS für Iosef Stalin). Einzig die aufgemalte „23“ erinnerte an den ersten Sowjetpanzer, der Prag erreichte. Sowohl „Nr 23“ als auch „Nr 24“ waren so stark beschädigt, dass sie nicht als repräsentatives Denkmal in Betracht gezogen wurden. Außerdem war der Typ IS-2 größer und genügte damit eher den Ansprüchen, die an ein Denkmal gestellt wurden.

Elf Jahre später, als es in Ungarn den Volksaufstand gab, wurde dem Panzer vorsichtshalber der Motor entfernt.

Die „23“ sollte sich im Nachhinein als eine symbolträchtige Zahl herausstellen:
Dreiundzwanzig Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs marschierte die Sowjetarmee im Prager Frühling erneut in die Tschechoslowakei ein. Und nochmals 23 Jahre später gab es eine heftige Debatte über das Denkmal „Panzer Nr 23“. Im Jahre 1991 enthüllte die Presse weitere Einzelheiten über die Befreiung Prags.

Dabei wurde klar, dass dort, wo das Denkmal stand, die Sowjetarmee gar nicht einmarschiert war. Im Stadtteil Smichow war dagegen die „Armee“ unter General Andreji Wlassow bereits am 6. Mai 1945 einmarschiert.
Diese Armee war ursprünglich 1944 aus russischen Kriegsgefangenen gebildet und sollte die Deutsche Wehrmacht unterstützen. Kurz vor Kriegsende wechselten sie jedoch die Fronten und kämpften mit den Pragern für die Befreiung von den Deutschen.
Alle in deutscher Wehrmachtsuniform gingen sie schließlich in die amerikanische Kriegsgefangenschaft. Die Amerikaner lieferten sie jedoch nach Moskau aus. Dort kamen sie in sibirische Arbeitslager und die Befehlshaber wurden hingerichtet.

Diese und ähnliche „Geschichtsaufdeckungen“ machten aus dem „Panzer Nr 23“ das Sinnbild manipulierter Geschichtsschreibung.

Somit kam es 1991 zu einer fast grotesk anmutenden Aktion.
Am 28. April 1991 gegen 6:45 Uhr kontrollierte die Prager Polizei eine Gruppe junger Menschen, die den Panzer Nr 23 mit neuer Farbe versahen. Die Gruppe hatte ein Erlaubnisdokument des Rathauses. Trotzdem wurden die Polizisten stutzig und einige Telefonate später stellte es sich heraus, dass das Dokument gefälscht war.
Das Dokument sprach von „Dreharbeiten“, und es war auch eine Person mit Kamera zugegen. Somit forderte die Polizei die Aktionisten nur auf, am Ende alles wieder sauberzumachen.

Das „Ende“ war ein rosa angestrichener Panzer, aus dem aus der Panzerkuppel ein überdimensionaler ausgestreckter rosa Mittelfinger ragte. Und eine Signatur auf dem Sockel: »David Černý und die Neostunner«.

Černý, damals 23, hatte mit seinen Freunden die Aktion vorbereitet.

»Jedes Mal, wenn ich diesen Panzer sah, begann mein Blut zu kochen. Ich hasste diesen Panzer seit meiner Kindheit, weil er ein Symbol der russischen Diktatur war.«

David Černý

Nachdem klar war, dass die Aktion keineswegs genehmigt war, wurde von offizieller Seite hektisch der „Stinkefinger“ entfernt und der „rosa Panzer“ mit einer Militärplane abgedeckt. Prags Außenministerium erklärte sein Bedauern gegenüber der Sowjetunion. Der Panzer sollte schnellstens wieder in militärgrün glänzen, und dies musste noch vor dem Jahrestag der Befreiung passieren.

Černý musste erst einmal untertauchen, da er sich dem Tatbestand der „öffentlichen Unruhestiftung“ ausgesetzt sah. Aber ein Spendenkonto wurde eröffnet und Unterstützer von Černý sammelten Geld, um ein etwaiges Verfahren bezahlen zu können. Černý versteckte sich bei einer Freundin.

Am Abend des 16. Mai 1991 versammelte sich eine Gruppe von 15 Parlamentariern in Arbeitsanzügen, die sie als Abgeordnete auswiesen zur neuerlichen Umlackierung des Panzers. Er wurde wieder rosa.

Während Präsident Václav Havel die Aktion verurteilte, bezeichnete Außenminister Jiří Dienstbier den Panzer als »Symbol der Unterdrückung«. Panzer Nr 23 war kein nationales Kulturdenkmal mehr. Am 13. Juni 1991 wurde er von seinem Sockel geholt und landete im Militärmuseum von Lešany außerhalb der Stadt.

Aber er kam nochmals nach Prag zurück. Am 20. Juni 2011 zum 20. Jahrestag des Abzugs der sowjetischen Truppen erschien er frisch rosa lackiert und mit neuem Stinkefinger nochmals in der Stadt.

Heute steht der rosa Panzer wieder auf dem Areal des Militärmuseums bei Lešany direkt am Eingang. Die Kanone, die zum Glück nie einen Schuss abgefeuert hatte, zeigt jetzt in Richtung Osten.

Fotonachweis:
Sowjetischer IS-2 M44 im Militärmuseum Lešany (Tschechien) - Panzer Nr 23
Foto: Hynek Moravec 
(Lizensiert unter der Creative Commons Lizenz CC BY 2.5)