Gedanken zu radikalen Symbolen und Zeichen
Vorab gesagt:
Ich bin 100% gegen Radikalismus, und gegen den rechten gleich doppelt. Ich bin dafür, dass wir mit all unserer Zivilcourage gegen Bewegungen und Menschen vorgehen, die sich wie auch immer geartetes antidemokratisches System wünschen und dafür einstehen.
Bitte, dies in Betracht ziehen, wenn die folgenden Zeilen gelesen werden.
Meine Meinung:
Die Europameisterschaft interessiert mich maximal am Rande. Ich sitze nicht irgendwo vor dem Fernseher, beim Public Viewing oder gar im Stadion. Falls mich das schon für manche suspekt macht und man mich deshalb nicht für zurechnungsfähig hält: Bitte einfach nicht weiterlesen.
Jetzt aber zum Eigentlichen:
Wir sind zum Glück in den letzten Jahren sehr sensibel geworden, was Symbole, Gesten, Sätze, Zitate etc. bezüglich extremistischen Äußerungen betrifft. Dies ist gut und auch höchste Zeit.
Aber:
Bei jedem ausgestreckten Zeigefinger einen IS Sympathisanten am Ende des Armes nicht nur zu vermuten, sondern dieses Zeichen schon als Beweis zu sehen, ist schlicht und ergreifend Meinungsmache.
Bei jedem ausgestreckten Arm den Hitlergruß nicht nur zu vermuten, sondern den »Täter« schon anklagen zu wollen, ist überzogen.
Hinter jedem Schattenspiel, wo der Fuchs hinter der Leinwand läuft, schon eine Einflussnahme der grauen Wölfe zu sehen, ist Panikmache.
Es stimmt, dass die Symbole der Extremisten offener gezeigt werden und wir alle sollten aufmerksam sein und im Falle auch reagieren. Aber bald wird es keine Geste, kein Zeichen, keinen Buchstaben und keine Zahl mehr geben, die man nicht in irgendwelchen extremistischen Kreisen als Code verwendet.
Ich zum Beispiel habe vor einigen Jahren mein Wunschkennzeichen mit »JA 88“ angegeben. Damals habe ich an die Anfangsbuchstaben des Namens meiner Frau und mir gedacht und an unser Jahr der Hochzeit. Nicht an »Junge Alternative« und »Heil H….« – das Auto ist zwischenzeitlich Vergangenheit, die Autonummer auch. Aber unsere anderen Autos haben weiterhin »JA«, was man ja auch durchaus aus einem positiven Ausruf deuten kann.
Unsere Kinder haben in der Schule noch mit ausgestrecktem Zeigefinger gestreckt und in der Jungschar gab es den »Schweigefuchs«, wenn alle still sein sollten.
Natürlich glaube ich nicht, dass Merih Demiral den »Schweigefuchs« gezeigt hat und es ist meiner Meinung nach richtig, dass es eine Empörung gab. Trotzdem ist jetzt nicht jede Erzieherin, jeder Erzieher ein Mitglied der »Grauen Wölfe«, weil sie in der Kita den »Schweigefuchs« macht. Wahrscheinlich ist ihr/ihm aber das Risiko zu groß und sie wird den Zeigefinger senkrecht an die Lippen führen (nur den Zeigefinger, nicht auch noch den Mittelfinger), bis es irgendwelchen Extremisten einfällt, auch dieses Symbol zu kapern.
Warum ich jetzt auf so einen Artikel komme?
Weil ein Bild durch die Medien geistert, bei welchem ein jubelnder Spanien Fan beim Spiel Deutschland gegen Spanien angeblich den »Hitlergruß« gezeigt hat.
Aber: Das Bild ist an der linken Schulter des Fans abgeschnitten. Das ganze Bild zeigt ihn mit beiden erhobenen Händen. Begeistert, emotional, seine Mannschaft beschwörend. Also nix Hitlergruß.
Also Leute, passt auf, wenn Ihr jemandem zuwinkt; bei einem Foto kann das schon mal zum Hitlergruß werden. Dann lieber nix mehr machen. Oder zeigt ja niemandem, dass Ihr gestern die »so hohe Hecke« gestutzt habt.
Sorry, musste raus.
Geht mit offenen Augen durch die Welt, macht aber keine Hexenjagd.
Sprecht den Nachbarn einfach mal an, wenn seine Deutschlandfahne verkehrt herum hängt. Wahrscheinlich war es wirklich ein Versehen und er ist kein Reichsbürger. Und wenn, dann werdet Ihr es durch das Gespräch merken, wenn es nicht schon vorher klar war.