Der Regenschirm

Na ja, die Osterfeiertage waren ja in unserer Gegend nicht das, was unter Frühling zu verstehen ist. Egal, es gibt kein schlechtes Wetter, nur falsche Kleidung, und also sprach ich frustriert, lass uns in die Stadt gehen (also ich und mein innerer Schweinehund, der lieber in der guten Stube gesessen wäre).

Wenn man mal „draussen“ ist, dann ist sogar das bisschen Nieselregen zu ertragen. Ich also in der Stadt durch die Fussgängerzone, die natürlich auch an einem solchen leicht trüben Samstag von Menschen belebt ist. Der Regen hatte aufgehört und so langsam verschwanden die aufgespannten Schirme.

Kurz darauf setzte leichter Nieselregen ein. Ein unachtsamer Moment und ich musste geistesgegenwärtig den Kopf einziehen, da mein Vordermann mitten im Getümmel einen Schirm aufklappen liess (Automatik), unter dem eine halbe Schulklasse Platz gefunden hätte.
Keine fünfzig Meter weiter trabte eine resolute Dame aus einer Boutique, sah weder nach rechts noch nach links, schnalzte ihren Schirm auf und mit dieser Aktion spritzte sie das auf dem Schirm gespeicherte Wasser (es muss geregnet haben, als sie die Boutique betrat) auf die Menschen, die danach vom Nieselregen weitaus weniger feucht waren als von der „Altwasserdusche“ dieser Dame.

Als dann wirklich fast alle ihre Schirme aufgespannt hatten, wurde es ziemlich eng in den Gassen unserer Altstadt. Eine Person unter einem Regenschirm beansprucht etwa so viel Platz wie drei Personen ohne. Ich habe mich unter einen Dachvorsprung gestellt und mir mehrere Minuten mit wachsender Belustigung angesehen, wie meine Artgenossen und -genossinnen mit mehr oder weniger Rücksichtnahme aneinander vorbei schrammten.
Leider war ich alleine, denn es hätten sich tolle Wetten abschliessen lassen in der Art: “ Die Dame mit der hell-lila Dauerwelle: Wird sie einen Schritt zur Seite gehen, um dem jungen Liebespaar mit dem Riesenschirm, der ihnen die Sicht auf maximal 50 Zentimeter Kopfsteinpflaster vor ihren Füssen freigibt, auszuweichen?“ Oder: “ Der Mann, der seinen armen Rauhaardackel trägt und mit jedem Schritt den Schirm zu verlieren droht, sieht er denn gar nicht, dass die Frau mit den zwei kleinen Kindern und dem Berner Sennenhund direkt auf Kollisionskurs ist?“

Ich habe am Samstag gelernt, dass Regenschirme die Charakteren der Menschen unterstreichen und betonen.

Übrigens: Ich hatte keinen Schirm dabei, was mich in die tolle Lage des „Aussenstehenden Beobachters“ brachte.