Die neue Angst vor Konfrontation

Es war mal wieder was im Busch. Man konnte es spüren. Die Verantwortlichen der Personalabteilung und sogar der Abteilungsleiter glänzten die letzte Zeit durch Abwesenheit oder zeigten durch das Schliessen ihrer Bürotür, dass sie nicht gestört werden wollten.

Bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Firma kam Unruhe auf, die sich in immer ausgedehnteren Diskussionen in den Kaffee- und Raucherecken zeigte. Aus verschiedenen „zuverlässigen“ Quellen kamen die Gerüchte, dass wieder einmal eine Änderung, eine Umstrukturierung im Gange sei.

Endlich, die Einladung zu einer Betriebsversammlung. Und die Enttäuschung nach der Versammlung. Klar wurde von Einschnitten, Einsparungen und notwendigen Änderungen gesprochen, aber auf Anfrage, was es nun konkret für die Belegschaft heisse, wurde mitgeteilt, es gebe noch keine konkreten Pläne und man werde dann zur gegebenen Zeit informiert.

Ein paar Tage später war klar, dass einige die Firma verlassen müssen. Aber man sei noch nicht ganz sicher, welche Abteilungen es treffen würde.

Komischerweise hatten dann einige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter am nächsten Morgen die Kündigung im Briefkasten…
Kommt Ihnen so was auch bekannt vor? Viele Bekannte berichten mir unabhängig voneinander ähnliche Begebenheiten. Und interessanterweise ausnahmslos von Unternehmen, die modern geführt werden, bei denen „Teamwork“ und „Gemeinsam sind wir stark“ Parolen unter die Belegschaft gestreut werden, wie Trockenfutter im Streichelzoo.

Und genau diese Führungskräfte, die das „wir sind ein Team“ zum Evangelium hochstilisieren, trauen sich dann nicht, den Mitgliedern dieses Teams reinen Wein einzuschenken, sich konkreten Fragen zu stellen, eine Kündigung persönlich auszusprechen, sich vielleicht auch mal böse Blicke einzuhandeln oder sehen zu müssen, wie Menschen ob der Kündigung mit Tränen kämpfen.

Ich frage mich, ob die früheren „Chefs“ nicht mehr Mut hatten, als alle die neuen Führungskräfte, die sich hinter wohlklingenden Abkürzungen und einem vollen Terminkalender verstecken. Und ich bin traurig, dass das Wort „Human“ in „Human Ressources“ immer mehr vergessen wird.

Liebe CEOs, HR-Chefs und wie Sie immer sich nennen mögen: Wir wollen ehrliche Aussagen, wollen die Möglichkeit, Ihnen in die Augen zu sehen, wenn Sie uns Maßnahmen erklären. Wir sind auch fähig, zu begreifen und zu akzeptieren. Ich denke, Ihnen allen würde eine Wertschätzung zu Gute kommen die etwa so lauten würde: „Ok, es ist schon Mist, dass ich jetzt auf der Strasse sitze, aber mein Chef hat sich wenigstens die Zeit genommen, mit mir zu reden, mir versucht es zu erklären, und ist nicht vor der schwierigen Aufgabe geflohen.“